Als ich kürzlich auf einer Ausstellung war, hatte ich das Glück, ein paar Tage nach der Vernissage in der Galerie mit dem Künstler zu sprechen. Wir sprachen über seine Bilder und darüber was sie im Betrachter auslösen. Über seine Gründe, warum er gerade dieses und jenes Motive gewählt habe, wollte er keine Auskunft geben. Das spiele für den Betrachter keine Rolle.
Als ich bemerkte, ich fände es jammerschade und unverständlich, dass keine roten Punkte neben den Bildern zu sehen seien, dem Zeichen für einen erfolgreichen Verkauf, wiegelte er ab: Das spiele überhaupt keine Rolle. Er würde die Bilder nur für sich malen. Ja, es sähe nach Scheitern aus. Aber er hätte schon immer ein Faible fürs Scheitern!
Wow, was für ein Statement!
Wie hat er es hinbekommen, so unabhängig von der Meinung anderer zu sein? Er malt nur für sich selbst und ist glücklich dabei.
Im Grunde scheitern wir alle immer wieder an großen und kleinen Projekten.
Wir fallen durch Prüfungen, die Beziehungen scheitern, wir werden krank, obwohl wir gesund gelebt haben, wir schaffen es nicht, die to-do-Listen abzuarbeiten, vergessen wichtige Termine, es fehlen Kunden und Käufer, unser Menü für die Gäste gelingt nicht so wie wir es uns vorgestellt haben, und unsere anfängliche Konsequenz Sport zu treiben oder abzunehmen hat sich ganz schnell in Luft aufgelöst.
Zu den Nachteilen, die des Scheitern uns bescheren, bestrafen wir uns zusätzlich mit Abwertungen und Vorwürfen.
Unsere Selbstzweifel, die vorher schon da waren, werden noch größer. Wir beschimpfen uns sogar mit Schimpfwörtern, die wir keinem anderen an den Kopf werfen würden:
Versager, Niete, Dummkopf, Blödmann! Selbst schuld! So doof kannst auch nur du sein! Kein Wunder, du bringst es nie zu etwas! Was anderes als diese Pleite habe ich auch nicht von dir erwartet.
Diese Sätze kommen Ihnen nicht bekannt vor?
Wunderbar! Dann gehören Sie zu den Menschen, die die Fähigkeit entwickelt haben, auf ihr Scheitern mit Geduld, Sanftmut Mitgefühl und Vernunft zu reagieren.
Denjenigen, die diese Sätze kennen, möchte ich folgenden Vorschlag machen:
Nehmen sie sich innerlich in den Arm und trösten Sie sich mit ihrer zärtlichsten Stimme und haben Sie Verständnis für Ihre menschlichen Schwächen.
Ja, du hast wirklich dein Bestes gegeben. Du warst so mutig, es überhaupt gewagt zu haben. Scheitern gehört im Leben mit dazu. Auch das darf sein. Du hast es wenigstens versucht. Du musst gar nicht den gängigen Klischeevorstellungen einer tollen Person entsprechen.
Du darfst so sein, wie du bist. Dein Scheitern gehört dazu.
Behandeln Sie sich mit Geduld, Sanftmut und Mitgefühl.
Vielleicht entwickeln auch Sie ein Faible fürs Scheitern wie dieser Künstler.